Der Scheiblingstein im Wienerwald


Nur wenige Wiener wissen, das unweit ihrer Hauptstadt, inmitten des mysteriösen Wienerwaldes und nur 5m neben der Straße, ein römischer Meilenstein steht. Kurz vor der östlichen Ortseinfahrt von Scheiblingstein, nahe dem Exelberg, befindet sich ein ca. 1m aus dem Boden ragender länglicher Stein, der die Form eines römischen Meilensteines hat, jedoch keine Inschriften oder dergleichen aufweisen kann.

 

Auf einer Tafel neben dem Stein steht geschrieben:

Im Wienerwakld lebten schon in Urzeiten Menschen. Bereits im Jungneolothikum (2200-1800 v.Chr.) befanden sich auf dem Simonsberg (Gemeinde Weidlingbach) neolithische Wohngruben, die im Jahre 1914 bei der Aushebung von Schützengräben entdeckt wurden (Dr. F. Kastner).

Am Kumenberg bei St. Andrä-Wördern bestand eine mittelhallstättische Siedlung. Die Veneto-Illyrer - ein indogermanischer Volksstamm aus dem Mittelmeerraum - wurden in den Jahren ca. 500-300 v.Chr. durch die nach dem Osten vordringenden Kelten - ein ebenfalls indogermanischer Volksstamm aus Westeuropa - stark beeinflußt.

In seinem um die Mitte des 2. Jhdts.n.Chr. entstandenen Werk nennt Ptolemäus das Gebirge zwischen Pannonien und Norikum "Ketion oros" (latinisiert: Cetius mons). Darunter versteht er den Ostabfall der Alpen samt Wienerwald. Steinhauser führt dies auf das keltische Wort "Ketios" - Waldberg - zurück. Für die nordwestliche Abdachung nimmt Steinhauser als keltische Bezeichnung "Komagenos" (komagenischer Berg) an, die vom keltischen Namen des Tullner Feldes: Comagion - Gefilde, von keltisch "magos", das Feld - abzuleiten sein dürfte.

Die Kelten, die seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert unser Land besiedelt hatten, kamen durch den Handelsverkehr auf den uralten Handeslwegen mit römischen Kaufleuten und bald auch mit der römischen Außenpolitik in Berührung. Das Bündnisverhältnis zwischen den beiden Staaten, das durch die fortwährenden Beunruhigungen und Kriegsgefahren (Vordringen germanischer Völker) von Seiten der Kelten immer enger gestalten wurde, führte schließlich im Jahre 15 v.Chr. zur Annexion des Königreiches Norikum durch die Römer. Die Wege in diesem Gebiet, die militärisch, administrativ, verkehrstechnisch und wirtschaftsgeographisch von großer Bedeutung waren, blieben auch in der nachrömischer Zeit zum größten Teil unverändert.
Straßen in der eigentlichen Wortbedeutung gaben unserem Waldgebiet erstmals die Römer, die Meister des Straßenbaues in der Antike. Von Osten nach Westen bauten sie den Donaulimes als große Heeresstraße des Imperiums. Die Teilstrecke von Carnuntum über Vindobona - Cannabiaca (Klosterneuburg) - Comagenae (TUlln) mied die vom Strom gefährdete Greifensteiner Enge und führte durch das Kierlingtal - die Talsohle selbst wurde gemieden - über den Sattel von Gugging (Citium) nach Comagenae.

 


Der Scheiblingstein im Wienerwald / Niederösterreich

 

Der Scheiblingstein im Wienerwald / Niederösterreich

 

Der Scheiblingstein im Wienerwald / Niederösterreich

 

 


Das Tullnerfeld hatte im zweiten Jahrhundert besonders militärische Bedeutung gewonnen, Tulln selbst war im dritten Jahrhundert ein wichtiger Übergangsstützpunkt über die Donau, sozusagen ein Handelszentrum und Flottenstützpunkt. Ein Teil dieser wichtigen Verbindungsstraße verlief (nach E. Polaschek) am Gebirgsrand über St. Andrä nach Königstetten, von wo aus eine Verbindung über den Scheiblingstein, den Exelberg und entlang des Alserbaches nach Vindobona führte. Dreihundert Meter südöstlich vom Hotel Scheiblingstein steht noch ein Römerstein, über den Julius Caspart folgendes berichtet: Am 16. Mai 1935 hat die Zentralstelle für Denkmalschutz im Bundesministerium für Unterricht unter der Leitung von Professor Dr. Georg Kyrle den Stein untersucht. Der Stein zeigt keinerlei Inschrift oder zeichen. Polascheks Gewährmann für die urkundliche Bezeugung des Scheiblingsteins ist Gustav Winter, "Niederösterreichs Weistümer", III. teil, Das Viertel ob dem Wienerwalde.

Nach Winter heißt der Stein im Passauischen Urbar (ca. 1324) "meilenstein", im Banntaiding zu Wildenhag (1454) "Meylstain im Walt", im banntaiding zu Greifenstein und Altenberg (1581) "Meilenstein im Walt", im Banntaiding zu Mukkendorf (1613) "Meelstain in walt", im Wolfpassinger Rechtsbuch (15./16.Jhdt.) "Meilstain im walt", im Rechtsbuch von Werdern (1555) "Meilstain im wald" und in der Beschreibung des Rentamtes Königstetten (17.Jhdt.) "Scheibling- oder Mählstein".

Daraus ist ersichtlich, daß der Scheiblingstein schon um das Jahr 1324 als römischer Meilenstein gegolten hat, was er wohl auch ist. Es wurde vergeblich versucht, zwischen dem Stein und der Exelbergstraße eine Römerstraße zu finden. Eine flüchtige Untersuchung ließ keinen römischen Straßenkörper erkennen. Ob die römische Exelbergstraße auf dem gewachsenen Flyschgrund überhaupt einen Schotterbelag hatte, ist fraglich.

Polaschek nimmt an, daß der Scheiblingstein in der valentinianischen Zeit - das letzte Viertel des 4.Jhdts. - aufgestellt wurde. Wer wegen des Fehlens einer eingemeißelten Inschrift den Scheiblingstein für nachrömisch erklären will, sollte nachweisen, wer nach dem Untergang des Römerreiches einen solchen Stein aufgestellt haben könnte, der schon 1324 als Meilenstein angesprochen wurde. Dieser Meilenstein, der im Mittelalter "der scheiblige" - der runde - im Volksmund genannt wurde, dürfte also dem Scheiblingstein-Berg den Namen gegen haben. (A. Schachinger "Der Wienerwald).

 

Der Ort Scheiblingstein liegt westlich von Wien, inmitten des Wienerwaldes. Zu erreichen von Wien aus über die Hernalser Hauptstraße in Richtung Königstetten. Scheiblingstein liegt auf halbem Wege zwischen Wien und Königstetten.



Fotos: Markus Hauser, Burgenkunde.at

 



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