Die Güssinger Fehde


Als "Güssinger Fehde" wird in der Geschichtswissenschaft jene Epoche bezeichnet, die während des mittelalterlichen Siedlungswesens auf westungarischem Territorium durch Kriegshändel und Kämpfe um Einflußbereiche und Vorherrschaften gekennzeichnet war.

 

In der Mitte des 13. Jhds. beginnt sich die politische Situation in den kolonisierten Grenzgebieten der Herzogtümer Österreich und Steiermark und des Königreichs Ungarn anzuspannen. In den süddeutschen Fürstentümern erhält der Sohn des Deutschen Königs Rudolf, Herzog Albrecht I. von Habsburg, die Statthalterschaft, während im Königreich Ungarn auf Grund von separatistischen Bestrebungen einflußreicher regionaler Grafschaften die ersten Kriegshändel zwischen dem ungarischem König und den erstarkten ungarischen Adelssippen beginnen.

Das Geschlecht der Héder eignete sich um das Jahr 1270 unter der Führung von Johann I. von Héder, genannt „Iwan von Güssing“ od. „Ivan, der Rote Ritter“, von der Festung „Köszeg“- Güns aus die Burg Güssing an. Aus der Sicht der oligarchischen Adelssippe handelte es sich bei dieser Festung um einen Familienbesitz, der ihren vom Westen zugewanderten Vorfahren ungerechtfertigterweise entlehnt wurde.

Die Ausdehnung ihrer Besitzungen von Westungarn bis nach Preßburg und die Ausweitung Ihres Einflußbereichs auf die Gebiete bis zur Donau bedingten den raschen Aufstieg zur mächtigsten Adelssippe in der Ära der ungarischen Oligarchen. Die erfolgreiche Durchsetzung der Anerkennung territorialer Ansprüche konnte die Macht der Güssinger - eigentl. Günser Grafschaft - zusätzlich festigen. Im Jahre 1277 eroberte Iwan von Güssing die Burg Bernstein. Die in Folge aufgenommenen Feldzüge gegen seine Herrschaftsansprüche, sowohl jene des ungarischen Heeres unter König Ladislaus IV, wie auch durch die Truppen der Habsburger, übersteht die Burg Bernstein unbeschadet.

Mit dem machtakkumulativen Vorgehen und aggressiven Expansionsstreben verfolgte Johann I. von Héder die Errichtung eines unabhängigen Fürstentums. Am Höhepunkt der Epoche der „ungarischen Oligarchie“ wird die Adelssippe der Héder und Hédervary über mehr als 25 Burgen verfügen.
Für das ungarische Königshaus bedeutete die uneinschränkbare Vorgehensweise des Iwan von Güssing und der Adelssippe der Héder jedoch eine weitere Schwächung der königlichen Zentralgewalt. Mit dem Vordringen des ungarisch–königlichen Heeres in das Grenzkomitat Eisenburg suchte König Ladislaus IV. einerseits die Einheit des ungarischen Gebietes zu erhalten, anderseits eine Anerkennung der königlichen Autorität durchzusetzen.

In den an das Königreich Ungarn angrenzenden süddeutschen Herzogtümern Österreich und Steiermark herrschte seit dem Jahre 1283 der älteste Sohn von König Rudolf, Herzog Albrecht I. von Habsburg. Im Jahre 1281 verfügte der König, daß seine Söhne die rechtmäßige Nachfolge der verwaisten babenbergischen Länder antreten „...vicarius generalis per Austriam et Stiriam“.
Der neue Regent Herzog Albrecht I. erwählte aus seiner ihm zur Seite stehenden Gefolgschaft die engsten Vertrauten: Berthold von Emersberg, Ulrich von Taufers, die Schwaben Eberhard von Walsee und den Secretarius Hermann von Landenberg, sowie Heinrich II., Abt des Klosters von Admont, genannt Heinrich von Admont, gelangen in den Genuß herzöglicher Privilegien. Dies verdeutlicht ein von Herzog Albrecht I. verfaßtes Dekret, in dem er die Verfügung kund tat, daß „.......sämtliche die von Heinrich von Admont vorgenommen Konfiskationen, Exekutionen und Verhaftungen im Namen des Herzogs und des Königs erfolgen...“

Um dem expansiven Vorgehen von Johann I. von Héder entgegenzutreten, rüstete Heinrich von Admont im Jahre 1285 zum Feldzug. Die Truppen treffen bei Radkersburg aufeinander, wobei Heinrich von Admont eine empfindliche Niederlage hinnehmen mußte. Auch der Secretarius Hermann von Landenberg rekrutierte im selben Jahr Truppen gegen den ungarischen Oligarchen. Angeblich im Grenzgebiet von den deutschen Kolonisten vor der Mächtigkeit des Johann I. von Héder gewarnt, überschritt er die Grenze zum großflächigen und gering besiedelten Waldgebiet des ungarischen Grenzlandes. Alsbald gerieten seine Truppen in Hinterhalte, wurden attackiert und aufgerieben bis sich Hermann von Landenberg schließlich genötigt sah, sich zu ergeben.
Infolge erteilte Herzog Albrecht I. dem Graf von Taufers den Auftrag, im Namen des Habsburger Hauses in Hainburg in Friedensverhandlungen mit Iwan von Güssing einzutreten. Nach den erfolgten Vereinbarungen nahm Iwan von Güssing jedoch seine Eroberungszüge ostentativ auch in die Herzogtümer Österreich und die Steiermark wieder auf.

Im Frühjahr des Jahres 1287 rüstete Herzog Albrecht I. erneut gegen die Güns-Güssinger. Mit Einverständnis des Königs von Ungarn, Ladislaus IV., wurden die an der Donau liegenden Burgen Preßburg und Tyrnau erobert. Im selben Jahr attackierte der ungarische König Ladislaus IV. das Grenzkomitat Eisenburg, jenes Gebiet, welches an das Herzogtum Steiermark grenzt, und vertrieb aus der nördlichen Pinkaebene und dem oberen Stremtal die stationierten Grenzwächter. Diese waren ursprünglich vom König zur Beobachtung feindlicher Aktivitäten angesiedelt worden, unterstanden jedoch in der Zwischenzeit der Hoheit Iwans von Güssing und waren in dessen Diensten. Das Scheitern der Belagerung der Burg Bernstein, sowie das Unterliegen bei Kriegshändeln stärkte jedoch weiterhin den Einfluß der Adelssippe der Héder, die ungebrochen ihrem separatistischen Expansionsstreben folgte.

Schließlich eskalierte das Vorgehen und die Kämpfe im April des Jahres 1289. Mit dem Einverständnis des ungarischen Königs marschierte Herzog Albrecht I. gegen Iwan von Güssing in ungarisches Hoheitsgebiet ein. Die Zerstörung der unter der Grafschaft der Héder stehenden Landgütern und das Brechen der Güssinger Festungen wurden konsequent ausgeführt. Eine Konfrontation mit den Truppen Johann I. von Héder ereignete sich bei Martinsdorf und endet für die Habsburger siegreich. Schließlich lagen 4 Burgen und vermutlich 35 Liegenschaften darnieder; allesamt Landgüter, die vorwiegend von Rodungsbauern und deutschen Kolonisten gegründet worden waren.
Das Ausmaß der Zerstörungen war enorm: Einige der Niederlassungen wurden nicht mehr wiedererrichtet und mußten zur Gänze aufgegeben werden.

Der südliche Grenzverlauf des zerstörten Gebietes dürfte über Stegersbach, Olbendorf (*) und Großpetersdorf, also direkt vor den Toren der Burg Güssing, gelegen sein.

 


Karte des Eisenburger Komitats

 

 

 

Auf Grund der schweren Niederlage trat Iwan von Güssing einem bestehenden Bündnis des Erzbischofs von Salzburg gegen die habsburgische Expansion im Osten des Königreichs bei. Herzog Albrecht I. sah sich bemüßigt, weitere Truppen aus Kärnten und Böhmen zu beordern, um im Herbst die Hauptfeste der Héder - die Stadt Güns - einnehmen zu können.

Als im Dezember Herzog Albrecht I. abermals gegen Iwan von Güssing mobilisierte, verhängte der Erzbischof von Salzburg das Interdikt über die Herzogtümer Herzog Albrechts. Das Verbot zu kirchlichen Amtshandlungen innerhalb der Ländereien des Herzogs erzwang im Jänner 1290 Verhandlungen zwischen dem Herzog und dem Erzbischof in Wien. Da keine Annäherung auf politischem Wege möglich war, nahm der Herzog kurzerhand den Erzbischof gefangen. Durch diplomatisches Geschick wurde schließlich die den Sanktionen vorausgegangene Synode für ungültig erklärt und die Angelegenheit einem Schiedsgericht zur Beurteilung übergeben, dessen Vorsitz König Rudolf von Habsburg innehatte.

Im August des Jahres 1290 übertrug König Rudolf das Königreich Ungarn seinem Sohn Herzog Abrecht I. als ein an das Deutsche Reich „heimgefallene Reichslehen“, ein Vorgehen, welches der Zustimmung des Papstes bedurfte.
Im Juli wurde der ungarische König Ladislaus IV. in einem Lager des Volkes der Kumanen ermordet, wodurch der „letzte Arpade“ Andreas III. in Stuhlweißenburg auf den ungarischen Königsthron gelangte. Dieser mußte bei der Krönungsfeierlichkeit einen ihm vorgelegten Eid schwören, wonach er die von den Habsburgern annektierten ungarischen Ländereien zurückerobern werde. Durch die Aussicht, die verlorenen Ländereien wieder unter die eigene Hoheit stellen zu können, trat Iwan von Güssing in das bestehende Bündnis zwischen König Andreas III., König Wenzel II. von Böhmen, u.a. gegen die Habsburger ein.

Nachdem Herzog Albrecht I. die königliche Forderung nach Rückgabe der westungarischen Gebieten zurückgewiesen hatte, rüstete König Andreas III. gegen das österreichische Herzogtum. Die ungarischen Truppen eroberten zuerst die an der Donau gelegenen Burgen zurück und unter heftigen Verwüstungen und Brandschatzungen belagerten diese schließlich sechs Wochen lang das mittelalterliche Wien.

Auf Grund der Bedrohung durch die Belagerung und bestehender Bündnisse, die seine Entmachtung intendierten, entschloß sich Herzog Albrecht I. in die Aufnahme von Verhandlungen einzuwilligen.

Dem Friedensschluß von Hainburg am 26. August 1291 folgte am 28.August in Preßburg der Friede mit dem Königreich Ungarn. Durch die Rückgabe der Ländereien, die Anerkennung der Grenzziehung vor der Okkupation und den erklärten Verzicht Herzog Albrechts I. von Habsburg auf die Verleihung des Königreichs Ungarn endete die „Güssinger Fehde“.

 

Helmut Windisch, Purkersdorf, Dezember 2005

 

 

Lesen Sie hier online die 1933 aus dem Mittelhochdeutschen übersetzte Originalfassung der Reimchronik des Ottokar von der Gaal über die Güssinger Fehde.
Laden Sie sich hier (mit rechter Maus "Ziel speichern unter") die Reimchronik als Pdf auf ihren PC.

Ottokar von der Gaal (auch Ottokar aus der Gaal bzw Otacher ouz der Geul, gelegentlich auch Ottokar von Steiermark und früher nach W. Lazius fälschlicherweise auch Ottokar von Horneck), geb. 1265 gest. zw. 1319/21, war ein steirischer Dichter und Geschichsschreiber aus dem Geschlecht der Herren von Strettweg. Er stand im Dienste des Ritters Otto von Liechtenstein, Sohn des Dichters Ulrich von Liechtenstein. Bevor er 1304 urkundlich in der Steiermark sesshaft wurde, war er vermutlich zeitweise Fahrender, beteiligte sich an Kriegszügen und führte Reisen mit diplomatischen Aufträgen durch.

Abgefordert, die wichtigsten Ereignisse seiner eigenen Zeit aufzuzeichnen, schrieb er zu verschiedenen Zeiten die aus mehr als 98,000 Versen bestehende "Österreichische Reimchronik" (hrsg. von Pez in den "Scriptores rerum austriacarum", Bd. 3, 1745), das erste umfassende Geschichtswerk in deutscher Sprache. Diese Reimchronik umfasst den Zeitraum 1246-1309 und beschreibt die Geschichte des Heiligen Römischen Reichs, die Landesgeschichte Österreichs und der Steiermark nach historischen und dichterischen Quellen. Dieselbe behandelt die Zeit von Manfreds Tod bis zum Tod Kaiser Heinrichs VII. und enthält viele wichtige Nachrichten zur Geschichte Rudolfs von Habsburg, Ottokars von Böhmen, Adolfs von Nassau und Albrechts I. Die merkwürdigen, von dem Verfasser miterlebten Begebenheiten ausführlich erzählend, entbehrt sie des eigentlich poetischen Charakters, fesselt aber durch anziehende Charakterschilderungen und Beschreibungen von Festlichkeiten, Turnieren und Schlachten, denen der Verfasser oft selbst beiwohnte. Auch zeigt sie Wahrheitsliebe, und es wird Gerücht und Sage von wirklicher, verbürgter Geschichte gewissenhaft unterschieden, wenngleich die Chronik in Einzelheiten selbstverständlich nicht immer genau und zuverlässig ist.

 

 

(*) Wie der Autor in seinem Werk „Castrum Olber“ - Ein Beitrag zu den Kampfhandlungen der Güssinger Fehde, 1289 - auf Grund vorhandener Indizienlage publizierte, errichtete nach dringender Vermutung der Secretarius von Herzog Albrecht I. von Habsburg, Hermann von Landenberg, auf dem heutigen Gemeindegebiet von Olbendorf (Alberndorf) um das Jahr 1289 die „Stadt Ulm“, eine Festungsanlage u.a. Bauwerke, siehe bei Burgenkunde.at: www.CastrumOlber.Burgenkunde.at

Der Autor des vorliegenden Artikels „Die romanische Kirchenruine von Pilgersdorf“, Helmut Windisch, arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis in Wien.

Über den Autor: www.praxis-kathan-windisch.net

 

 

Literatur- und Quellennachweis:

Windisch, Helmut: Castrum Olber“- Ein Beitrag zu den Kampfhandlungen der Güssinger Fehde“ 1289, Novum-Verlag, 2004
Homma, Karl J.: „Das Güssinger Land“ in „Volk und Heimat“, Hsg. Kirsner & Peternell.
Lindeck-Pozza (Hsg).: „Burgenländisches Urkunden-Buch, II.Bd.“, Graz-Wien-Köln, 1965
Házi, Jenö: „Die kanonische Visitation des Stefan Kazó, Archidiakon von Eisenburg/Vasvár in Burgenland, Teil des Komitates Eisenburg in den Jahren 1697-1698“, Hsg. Burgenländische Landesarchiv, Eisenstadt 1958
Wattenbach, Wilhelm (Hsg.): „Continuatio Vindobonensis“, Stuttgart 1963
Meyer, W.: „Der Burgenbau zur Zeit der Herren von (Güssing)-Güns im heutigen Burgenland“, Eisenstadt, 1989
Zöllner, Erich: „Geschichte Österreichs“, 1990
Lothsky, A.: „Geschichte Österreichs“, 1967, (-vgl. Wachter)
Laijta, Hans: „Kunst und Kulturlexikon Burgenland“, Wien 1983
Martinic, Georg Clam: „Österreichisches Burgenlexikon“, 1991
Prickler, Harald: „Burgen, Schlösser, Ruinen und Wehrkirchen“, 1975



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